Nosokomiale Infektionen – Gesundheitssytem-assoziierte Infektionen
In Österreich erkranken hochgerechnet etwa vier von 100 Personen an einer Infektion, die sie mit einer medizinischen Behandlung oder einem Aufenthalt in einer Gesundheitsreinrichtung in Verbindung gebracht werden kann. Fachleute sprechen dann von einer „nosokomialen Infektion“ oder neuerdings von „Gesundheitssystem-assoziierten Infektionen“. Für die Patientinnen/Patienten kann eine derartige Infektion gravierende Folgen haben, die bis hin zum Tod gehen können. Die einfachste und wirksamste Maßnahme, um einer nosokomialen Infektion vorzubeugen, ist ebenso einfach wie effizient: Das Desinfizieren der Hände.
Inhaltsverzeichnis
Nosokomiale Infektion: Was ist das?
Eine Person wird in einer Gesundheitseinrichtung aufgenommen, behandelt oder einer invasiven Untersuchung unterzogen, um diese Krankheit zu diagnostizieren. Im Verlauf kann es als Komplikation zu einer Infektion, wie beispielsweise eine Lungenentzündung oder eine Harnwegsinfektion, kommen. In einem solchen Fall sprechen Fachleute von einer im Krankenhaus erworbenen, sogenannten nosokomialen Infektion.
Eine grundlegende Definition einer nosokomialen Infektion ist das Auftreten zwei oder mehr Tage nach der Aufnahme ins Krankenhaus.
Da derartige Infektionen nicht nur in Krankenhäusern, sondern in allen Gesundheitseinrichtungen, wie Langzeitpflegeeinrichtungen, Rehabilitationszentren, Ambulatorien oder Praxen auftreten können, werden diese auch als „Gesundheitssystem-assoziierte Infektionen“ („Healthcare-associated infections“– HAI) bezeichnet.
Welche Ursachen haben nosokomiale Infektionen?
Nosokomiale Infektionen werden durch Bakterien, Viren oder Pilze verursacht. Am häufigsten sind Infektionen durch Bakterien. In den meisten Fällen stammen diese aus der sogenannten körpereigenen Flora, d.h. aus Nase, Mund, Rachen, Darm, Haut etc.) der Patientin/des Patienten selbst. Gesunden Menschen schaden diese Bakterien nicht. Im Gegenteil – sie schützen den Körper vor krankmachenden Erregern. Anders sieht es aber aus, wenn eine Operationswunde vorliegt, die Organfunktionen und das Immunsystem angeschlagen sind. Dann werden diese Bakterien an einen Ort verschleppt werden, wo sie eigentlich nicht hingehören. So können beispielsweise Bakterien auf der Haut durch einen medizinischen Eingriff (z.B. Katheter, Operation) ins Körperinnere gelangen. Die ansonsten harmlosen Bakterien können sich ungehindert vermehren und zu gefährlichen Infektionen führen. Fachleute sprechen in diesem Fall von einer endogen bedingten Infektion.
Bei Hygienemängel können Krankheitserreger auch von anderen Personen, Oberflächen oder durch medizinische Hilfsmittel auf die Patientin/den Patienten übertragen werden. Oft werden über die Hände von Ärztinnen/Ärzten, Pflegekräften oder Besucherinnen/Besucher Krankheitserreger auf die Patientin/den Patienten übertragen. Zudem können auf jedem Gegenstand, mit dem die Patientin/der Patient in Berührung kommt, wie Waschbecken, Toilette oder Türgriffe, Keime lauern und auf diese/diesen übertragen werden. Entsteht eine nosokomiale Infektion auf diese Weise, sprechen Ärztinnen/Ärzte von einer exogen bedingten Infektion.
Zusammengefasst spielen folgende Faktoren bei der Entstehung einer nosokomialen Infektion bzw.HAI eine Rolle:
Faktoren, die mit der Patientin/dem Patienten zusammenhängen:
- Alter: Alte, aber auch sehr junge Patientinnen/Patienten (Frühchen), sind anfälliger für nosokomiale Infektionen,
- Personen mit schlecht heilenden Wunden oder Hauterkrankungen,
- chronischen Erkrankungen: z.B.: Diabetes mellitus, Krebs, Aids, Hepatitis,
- Mangelernährung,
- langem Aufenthalt in einem Krankenhaus,
- Aufenthalt in einem Pflegeheim,
- Einnahme bestimmter Medikamente, die das Abwehrsystem unterdrücken (Immunsuppressiva) sowie
- Behandlung mit Antibiotika.
Erregertyp
Bestimmte Keime sind besonders gefährlich und gelten als Problemkeime. Sie sind hoch ansteckend (virulent) und gegen gängige Antibiotika unempfindlich (resistent).
Umweltfaktoren
- Im Krankenhaus befinden sich viele kranke Menschen, das kann die Ausbreitung von Erregern begünstigen,
- Mangelhaftes Reinigen und Desinfizieren der Hände (z.B. aus Zeitmangel),
- mangelhafte Reinigung und Desinfektion von Gegenständen und Oberflächen.
Medizinische Eingriffe
- Um das Leben zu erhalten werden medizinische Geräte und Produkte, wie Schläuche (z.B. Katheter), Beatmungs- oder Dialysegeräte benötigt. Über diese können Keime in den Körper gelangen. Besonders gefährdet sind Personen auf der Intensivstation, die künstlich beatmet werden.
Häufige nosokomiale Infektionen
Nosokomiale Infektionen können in den verschiedensten Formen auftreten. Da sie schwere gesundheitliche Folgen haben können, müssen sie laut Kranken- und Kuranstalten-Gesetz erfasst werden.
Zu den häufigsten nosokomialen Infektionen zählen:
- Harnwegsinfekte: Diese verlaufen oft symptomarm. Manchmal kann ein Harnwegsinfekt aber auch schwer verlaufen und zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen. Oft wird ein nosokomialer Harnwegsinfekt durch einen Harnkatheter verursacht. Bei diesem wird über ein Röhrchen Harn aus der Harnblase abgeleitet. Über dieses können Bakterien bis zur Harnblase gelangen und eine Entzündung in den Harnwegen verursachen. Vor allem wenn ein Harnkatheter länger liegt, können Bakterien über diesen bis zur Harnblase gelangen und dort Entzündungen verursachen.
- Lungenentzündung: Besonders gefährdet an einer nosokomialen Lungenentzündung zu erkranken, sind Personen auf Intensivstationen, die künstlich beatmet werden. Da die Betroffenen meist durch ihre ursprüngliche Krankheit stark geschwächt sind, kann eine nosokomial erworbene Lungenentzündung schwer verlaufen. Dazu kommt, dass die auslösenden Bakterien oft sehr widerstandsfähig gegenüber Antibiotika (resistente Bakterien) sind. In vielen Fällen kommt es zu Komplikationen und mitunter führt die Erkrankung zum Tod.
- Wundinfektionen nach Operationen: Diese machen den größten Anteil nosokomialer Infektionen aus. Keime, beispielsweise aus der Haut der Patientin/des Patienten, die während einer Operation in die Wunde gelangen, können in weiterer Folge zu einer Wundinfektion führen. Die Keime können dabei aus dem Operationsgebiet (z.B. bei Darmoperation aus dem Darm) oder der Umgebung stammen. Besonders gefährdet für eine derartige post-operative Wundinfektion sind alte Menschen oder Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus. Bestimmte Operationsarten gehen mit einem besonders großen Risiko für eine derartige Infektion einher. Beispielsweise kann es bei Operationen des Dickdarms zur Verschleppung von Darmbakterien in die Operationswunde kommen. Ob es zu einer post-operativen Wundinfektion kommt, hängt u.a. auch von der Dauer der Operation ab.
- Sepsis („Blutvergiftung“): Wenn sich die Bakterien über das Blut im gesamten Körper verbreiten, kann sich bei abwehrgeschwächten Personen eine Sepsis entwickeln. Diese kann lebensbedrohend sein und zu Organversagen führen. Sie ist jedoch im Vergleich zu den oben genannten Infektionen wesentlich seltener.
Welche Erreger rufen nosokomiale Infektionen hervor?
Zu den häufigsten Mikroorganismen, die nosokomiale Infektionen hervorrufen, zählen:
- Bakterien der Darmflora: z.B. Escherichia coli, Enterococcus species; diese Bakterien finden sich in der normalen menschlichen Darmflora und können bei geschwächten Personen nosokomiale Infektionen hervorrufen.
- Staphylococcus aureus: Ein häufiger Krankenhauskeim, der bei gesunden Personen u.a. im Nasen-Rachen-Raum vorkommen kann.
- Pseudomonas aeruginosa: Kommt im feuchten Milieu, wie beispielsweise in Abflüssen, Duschen oder Toiletten vor. Dieser Keim kann zu schweren nosokomialen Infektionen führen.
- Koagulase-negative Staphylokokken
- Streptococcus pneumoniae
- Candida species
Multiresistente Erreger
Ein zunehmendes Problem in Krankenhäusern und Pflegeheimen sind besonders Bakterien, die auf eine Therapie mit Standard-Antibiotika nicht mehr ansprechen: Sogenannte multiresistente Erreger (MRE). MRE sind für gesunde Personen in der Regel nicht gefährlich. Sie wissen meist nicht, dass sie Träger von multiresistenten Bakterien sind. Sie können diese aber auf andere Menschen übertragen. Bei abwehrgeschwächten Personen können MRE zu komplizierten, lebensbedrohlichen Infektionen führen. Doch auch für gesunde MRE-Träger können die Keime zum Problem werden, nämlich dann, wenn sie operiert werden und die MRE in die OP-Wunde gelangen. Dann kann es zu einer schwer behandelbaren Wundinfektion kommen.
Um zu vermeiden, dass es zu einer Infektion mit MRE kommt, werden Personen mit einem besonderen Risiko bei der Aufnahme in eine Gesundheitseinrichtung, auf das Vorhandensein solcher multiresistenten Keime untersucht. Zu diesem Zweck entnimmt die Ärztin/der Arzt einen Abstrich aus der Nase, dem Rachen oder von der Wunde. Im Labor wird dann bestimmt, um welche Art des Keimes es sich handelt. Bestätigt sich der Verdacht auf einen MRE, müssen Besucherinnen/Besucher und das Personal besondere Hygienevorschriften befolgen. Dadurch soll eine Übertragung auf andere Patientinnen/Patienten verhindert werden. Dazu gehört u.a., dass die Patientin/der Patient in einem Einzelzimmer untergebracht wird. Weiters müssen alle Menschen, die mit der/dem Betroffenen in Kontakt kommen, die entsprechende Schutzmaßnahmen einhalten (z.B. Schutzmantel, Mund-Nasen-Schutz etc.) und sich jedenfalls die Hände desinfizieren (siehe 5 Momente der Händehygiene der WHO).
Methicillin-resistenter Staphylococccus aureus (MRSA)
Der bekannteste multiresistente Erreger ist der „Methicillin-resistente Staphylococccus aureus“ (MRSA). Dieses Bakterium ist ein häufiger und gefährlicher Verursacher einer nosokomialen Infektion. Es spricht nicht auf das Antibiotikum Methicillin und andere, sonst hochwirksame Antibiotika an. Dadurch ist eine Infektion mitunter nur schwer behandelbar. Die multiresistenten Keime können bei geschwächten Personen schwere Infektionen beispielsweise von Wunden, der Atemwege und Harnwege verursachen. Manchmal verursacht dieser Keim auch eine Sepsis (Blutvergiftung).
Nähere Informationen finden Sie unter Antibiotikaresistenz.
Wie kann ich einer nosokomialen Infektion vorbeugen?
Um einer nosokomialen Infektion vorzubeugen, kommt der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen besondere Bedeutung zu. Wichtig ist, dass das Krankenhauspersonal, aber auch die Patientinnen/Patienten und Besucherinnen/Besucher bestimmte Hygieneregeln einhalten. Hygieneteams kümmern sich um die Koordination und Einhaltung von vorbeugenden Maßnahmen. Eine Schlüsselrolle in den Hygieneteams kommt Fachärztinnen/Fachärzten für Hygiene und Mikrobiologie zu.
Händehygiene wichtigste Maßnahme
Da sich viele Keime durch direkten Kontakt über die Hände verbreiten, steht im Kampf gegennosokomiale Infektionen die Händehygiene an erster Stelle. Regelmäßige und gründliche Händedesinfektion ist die einfachste und wirksamste Maßnahme, um Krankheitserreger nicht weiter zu verbreiten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die wichtigsten Situationen im Krankenhausalltag festgelegt, in denen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter ihre Hände gründlich desinfizieren müssen. Wichtige Voraussetzung zur Einhaltung dieser „5 Momente der Händehygiene“ ist, dass Desinfektionsmittelspender leicht zugänglich und verfügbar sind – nicht nur für das Personal, sondern für jeden, der sich in einer medizinischen Einrichtung aufhält. Auch die Patientinnen/Patienten und Besucherinnen/Besucher können dazu beitragen, sich und andere zu schützen. So sollten diese ihre Hände vor und nach Betreten des Krankenzimmers, vor dem Essen und nach jedem Toilettengang gründlich desinfizieren. Wichtig dabei ist, dass ausreichend Desinfektionsmittel auf die Hände aufgebracht wird und dieses für 30 Sekunden in die trockenen Hände (inklusive Fingerspitzen, Nägel und Zwischenräume) eingerieben wird. Danach sollte kein Handtuch verwendet werden.
Weitere Maßnahmen
Zudem tragen zu einem wirksamen Infektionsschutz u.a. bei:
- Schutzhandschuhe und –mäntel in bestimmten Situationen,
- Mund-Nasen-Schutz,
- regelmäßige Reinigung und ev. Desinfektion von Böden, Oberflächen und Gegenständen die mit der Patientin/dem Patienten in Kontakt kommen,
- Impfungen,
- Regelmäßige Schulungen aller Berufsgruppen, die Patientinnen/Patienten betreuen,
- das Immunsystem von Patientinnen/Patienten sollte zudem so wenig wie möglich durch Behandlungen (z.B. Kortison) geschwächt werden,
- Personen, die ein erhöhtes Risiko haben Träger eines multiresistenten Keimes zu sein, sollten vor der Aufnahme in ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim untersucht werden. Dabei wird ein Abstrich des Nasen-Rachen-Raums oder von chronischen Wunden entnommen und auf multiresistente Erreger untersucht,
- zweckmäßiger Umgang mit Antibiotika: Um eine weitere Zunahme von Infektionen mit multiresistenten Bakterien zu verhindern, ist es wichtig, dass Antibiotika richtig eingesetzt werden. Multiresistente Erreger entstehen u.a. weil Antibiotika zu häufig, zu niedrig dosiert oder zu kurz eingesetzt werden.
Um die Mitverantwortung der Patientinnen/Patienten stärker hervorzuheben, wurde von der Plattform Patientensicherheit gemeinsam mit der Initiative Sicherheit im OP der Flyer Krankenhausinfektionen. Was Patientinnen und Patienten tun können entwickelt. Die Informationen sollen u.a. aufzeigen, welche Maßnahmen zum Selbstschutz ergriffen werden können. Dazu gehören neben dem Gespräch mit der Ärztin/dem Arzt auch Aufmerksamkeit gegenüber bestimmten Symptomen (z.B. Rötungen, Schmerzen oder Flüssigkeitsaustritt), Kenntnis einer wirksamen Handhygiene, Informationen zur Vermeidung von Antibiotikaresistenzen sowie die Möglichkeiten der Risikominimierung im Zusammenhang mit Impfungen.
Weitere Informationen:
- Krankenhaushygiene – PROHYG (Gesundheitsministerium)
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 15. März 2021
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Prof. Dr. Elisabeth Presterl MBA