Die Syphilis verläuft unbehandelt in drei Stadien, eine Spontanheilung ist jedoch möglich. Die Betroffenen sind vor allem in den ersten beiden Stadien besonders infektiös.
Stadium I (Primäres Stadium)
Nach einer meist drei- bis vierwöchigen Inkubationszeit entwickelt sich an der Eintrittspforte der Krankheitserreger eine Primärläsion in Form eines roten Knötchens (Papel) – der sogenannte harte Schanker. Daraus entwickelt sich rasch ein meist nicht schmerzhaftes Geschwür. Es besitzt einen etwas festeren Grund und sondert bei Verletzung oder Zerstörung ein klares Sekret ab, das viele Spirochäten (Bakterien) enthält und somit sehr infektiös ist. Die regionalen Lymphknoten sind fest, nur leicht vergrößert und nicht druckempfindlich. Der harte Schanker kann an jeder Körperstelle vorkommen.
Am häufigsten findet sich der harte Schanker an folgenden Körperstellen:
- bei Männern: Penis, After (Anus) und Mastdarm (Rektum).
- bei Frauen: äußeres Geschlechtsorgan (Vulva), Gebärmutterhals (Zervix), Mastdarm (Rektum) und Damm (Perineum).
- bei beiden Geschlechtern: Lippen, Mund- und Rachenraum.
Nach ca. einem Monat verschwinden die Symptome auch ohne Behandlung, um vier bis acht Wochen später in die sekundäre Syphilis überzugehen.
Stadium II (Sekundäres Stadium)
Nach einer ausgedehnten bakteriellen Streuung kommt es bei etwa 25 Prozent der primär erkrankten, noch nicht behandelten Patientinnen/Patienten v.a. zu folgenden Beschwerden:
- unspezifische Symptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit,
- nicht juckender Ausschlag (Exanthem) am Rumpf und in den Beugeseiten von Armen/Beinen,
- charakteristische Hautveränderungen (Papeln) an Handflächen und Fußsohlen,
- weit verbreiteten (generalisierte) Schleimhautläsionen (Enantheme),
- Lymphknotenschwellungen und
- wechselnde Organmanifestationen: Vergrößerung von Leber (Hepatitis) und Milz (Splenomegalie), Läsionen der Augen (Uveitis), Knochen (Periostitis), Gelenke, Hirnhäute (Meningitis), Nieren (Glomerulonephritis).
Diese Symptome beginnen in der Regel vier bis zehn Wochen nach dem Erstauftreten des Schankers. Oft leiden die Betroffenen an Fieber, Appetitlosigkeit, Übelkeit, leichter Ermüdbarkeit, Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen. Die Schleimhautläsionen können jede Stelle der Körperoberfläche betreffen, über viele Monate anhalten oder immer wiederkehren. Sie heilen meist ohne Narbenbildung aus.
Die Exantheme der sekundären Syphilis werden als Syphilide bezeichnet. Sie sind Ausdruck einer lokalen zellulären Entzündungsreaktion infolge der Treponema pallidum-Bakteriämie. Folgende Erscheinungsbilder können u.a. auftreten:
- Makulöses Syphilid: Häufigste Exanthemform. Blasse, zartrote, unscharf begrenzte Flecken (Roseola syphilitica) im seitlichen Brustbereich, später Generalisation mit Befall von Handtellern und Fußsohlen mit charakteristischer rotbrauner Färbung. Kein Juckreiz, keine Schuppung.
- Corona venerea: Knötchen entlang der Stirn-Haar Grenze.
- Palmoplantares Syphilid: flache ein bis zwei Zentimeter große rotbraune, schuppende Knötchen an Handflächen und Fußsohlen.
- Syphilitisches Leukoderm: weißliche 0,5 bis ein Zentimeter große Flecken meist im Nackenbereich („Halsband der Venus“). Grundsätzlich können alle syphilitischen Exantheme unter Hinterlassung von Leukodermen abheilen.
- Syphilitische Alopezie: An „Mottenfraß“ erinnernder kleinfleckiger, unscharf begrenzter und unvollständiger Haarausfall.
An den Haut-Schleimhaut-Übergängen und in feuchten Hautarealen (z.B. im Bereich um den After oder unterhalb der Brüste) bilden sich breite, flache, matte, rosa oder graue Papeln (Knötchen). Sie werden als Condylomata lata bezeichnet und sind extrem infektiös. Seltener treten teils aufgeraute, teils schleimige Flecken an Mundschleimhaut, Gaumen, Kehlkopf, Eichel (Glans penis), Schamlippen, After und Mastdarm auf. Bei bis zu 30 Prozent der Patientinnen/Patienten entwickelt sich eine Vermehrung von Zellen in der Rückenmarksflüssigkeit (Liquorpleozytose). Weniger als ein Prozent der Erkrankten klagt über Symptome einer Hirnhautentzündung ( Meningitis) wie z.B. Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Hirnnervenschädigung, Taubheit und Papillenödem (Sehstörung).
Latenzphase (Lues latens)
In der Latenzphase ist die Infektion nur anhand von im Blut vorhandenen Antikörpern gegen den Erreger Treponema pallidum nachweisbar. Die Liquorbefunde sind unauffällig. Es treten keine Beschwerden auf. Eine Syphilis kann auch lebenslang im Latenzstadium verharren und keine Spätkomplikationen entwickeln. In der frühen Latenzphase, innerhalb von zwei Jahren nach der Primärinfektion, können Rezidive mit infektiösen Schleimhautläsionen auftreten. Nehmen Patientinnen/Patienten in der Latenzphase aus anderen Gründen über einen längeren Zeitraum Antibiotika ein, kann eine latente Syphilis abheilen.
Stadium III (Tertiäres Stadium)
Eine Spätsyphilis stellt sich bei rund zehn Prozent der unbehandelten Patientinnen/Patientinnen nach mehreren Jahren ein. Die tertiäre gummatöse Syphilis beginnt meist zwei bis fünf Jahre nach der Infektion. Sie führt zu syphilitischen Veränderungen an Haut, Knochen und inneren Organen. Gummen (Gummata) sind gummiartig verhärtete knotige Gewebeveränderungen, die infolge einer zellulären Immunreaktion auftreten. Dieses Gewebe kann manchmal geschwürig zerfallen, absterben und von einer Gefäßentzündung umgeben sein. Gummata können vereinzelt oder weit verstreut auftreten und sich in das umliegende Gewebe ausbreiten. Sie wachsen bzw. heilen langsam und hinterlassen Narben. Auf der Haut bilden sie knotige, geschwürig zerfallende oder schuppende Läsionen. Wenn sie in der Unterhaut auftreten, zeigen sie sich als ausgestanzt wirkende Geschwüre (Ulzera) mit einer ledrigen Basis. Abgeheilte Ulzera hinterlassen eingefallene Narben. Bevorzugt treten sie an Beinen, Brustkorb, Kopf, Gaumen, Nasenscheidewand, Rachen und Kehlkopf auf. Gummata können zu einer Zerstörung (Perforation) des Gaumens oder der Nasenscheidewand führen.
Am Knochen bildet sich bei der tertiären Syphilis entweder eine Knochenhautentzündung (Periostitis) mit Knochenneubildung oder eine Knochenentzündung (Ostitis) mit Zerstörung der Knochenstruktur. Begleitet werden diese Prozesse von tief bohrenden Schmerzen, die sich in der Nacht verstärken. Manchmal ist auch eine Schwellung tastbar. Gleichzeitig kann es zu entzündlichen Veränderungen in den Atemwegen und im Magen-Darm-Trakt kommen.
Bei der kardiovaskulären Syphilis kommt es zehn bis 25 Jahre nach der Primärinfektion zu folgenden Entwicklungen:
- Ausstülpung der aufsteigenden Hauptschlagader (Aortenaneurysma),
- Verengungen der Herzkranzgefäßursprünge oder
- Aortenklappeninsuffizienz (fehlerhafter Klappenschluss).
Durch die Beeinträchtigung benachbarter Gewebe und Organe kommt es zu typischen Beschwerden wie z.B. metallisch klingender Husten, Stridor (Zischen, Pfeifen), Heiserkeit sowie Schmerzen im Bereich des Brustbeins und der Wirbelsäule.
Bei der Neurosyphilis entwickelt sich fünf bis zehn Jahre nach der Primärinfektion eine Entzündung der Hirnhäute und Blutgefäße (asymptomatische akute oder meningovaskuläre Neurosyphilis mit auffälligen Liquorbefunden). 20 bis 30 Jahre nach der Primärinfektion treten entzündliche Veränderungen des Hirngewebes (parenchymatöse Neurosyphilis = progressive Paralyse) oder ein Ausfall von Funktionen des Rückenmarks (Tabes dorsalis) auf. Diese Komplikationen der Neurosyphilis werden auch als Metalues bezeichnet und stellen die quartäre Syphilis dar (Quartäres Stadium).
Bei der Tabes dorsalis kommt es zu einer langsam fortschreitenden Degeneration von Nervenbahnen in der Wirbelsäule und in den Nervenwurzeln. Typische Beschwerden sind intensiv stechende, blitzartige Schmerzen im Rücken und in den Beinen, Gangstörungen sowie ausgeprägte sensible Missempfindungen (Hyperästhesie, Parästhesie). Letztendlich hat die Patientin/der Patient das Gefühl, wie auf Schaumgummi zu laufen. Zusätzlich können sich eine Harninkontinenz und eine erektile Dysfunktion (Potenzstörung) entwickeln. Bei der progressiven Paralyse kommen noch Persönlichkeitsstörungen und Demenz hinzu. Ein spezielles Symptom der Neurosyphilis ist das Argyll-Robertson-Phänomen der Pupille, wobei diese nicht auf Licht reagiert.