Angeborene Herzfehler: Häufige Formen
Die Bandbreite der angeborenen Herzfehler reicht von sehr einfachen Herzfehlern, die das Herz-Kreislauf-System wenig beeinträchtigen und sich mitunter sogar selbst zurückbilden, bis zu sehr schweren Herzfehlern, die unbehandelt frühzeitig zum Tode führen. Der häufigste angeborene Herzfehler ist laut Angaben des Kinderherzzentrums Wien der Ventrikelseptumdefekt mit einem Anteil von rund 31 Prozent. Alle anderen Formen machen jeweils deutlich unter zehn Prozent aus.
Unterschieden werden drei große Gruppen von angeborenen Herzfehlern, in Abhängigkeit davon, ob und in welcher Art und Lokalisation eine Kurzschlussverbindung (Shunt) zwischen Körper- und Lungen-Kreislauf besteht.
Inhaltsverzeichnis
Angeborene Herzfehler ohne Shunt
Bei angeborenen Herzfehlern ohne Shunt kommt es nicht zur Vermischung von sauerstoffreichem und sauerstoffarmem Blut:
- Pulmonalklappenstenose: Verengung der Lungenschlagaderklappe oder des Auslasses aus der rechten Hauptkammer. Je nach Ausprägungsgrad kommt es zu einer vermehrten Belastung der rechten Herzkammer, die gegen einen erhöhten Auslasswiderstand ankämpfen muss. Dadurch kann es zur Vergrößerung und Verdickung der rechten Kammer kommen (Rechtsherzhypertrophie). Der Druck in der rechten Kammer kann höher werden als der Druck im Systemkreislauf.
- Aortenklappenstenose: Der Auslass aus dem Herzen in die Körperhauptschlagader (Aorta) ist verengt. Dadurch muss die linke Herzkammer mehr Arbeit leisten, um sauerstoffreiches Blut in den Körper zu pumpen. Auf Dauer verdickt sich dadurch der Herzmuskel (Linkshypertrophie).
- Aortenisthmusstenose: Verengung der Aorta kurz nach dem Abgang der Arterien zur oberen Körperhälfte (Aortenisthmus). Sie belastet überwiegend die linke Herzkammer, die das sauerstoffreiche Blut in die aufsteigende Aorta und weiter in den Aortenbogen pumpen muss. Durch den Rückstau vor der Engstelle kommt es zu einem erhöhten Blutdruck in der oberen Körperhälfte. Hingegen entsteht nach der Engstelle ein niedriger Blutdruck, insbesondere in den Beinen.
Angeborene Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt
Es bildet sich ein Rückstrom von sauerstoffreichem Blut aus dem linken in das rechte Herz, also aus dem Körper- in den Lungenkreislauf. Die rechte Herzhälfte wird dadurch vermehrt belastet. Zu den Herzfehlern mit Rechts-Links-Shunt zählen:
Vorhofseptumdefekt (Atriumseptumdefekt, ASD)
Loch in der Scheidewand zwischen den Herzvorhöfen. Vor der Geburt besteht hier bei allen Menschen ein Loch, das sogenannte „Foramen ovale“. Dieses schließt sich normalerweise in den ersten Lebenswochen. Bei einem Drittel der Menschen bleibt ein kleines Loch offen und wird persistierendes Foramen ovale (PFO) genannt. Da unter normalen Umständen im linken Herzen ein höherer Druck herrscht als im rechten, wird ein Teil des Blutstroms, der eigentlich den Organismus versorgen sollte, über den Defekt wieder zurück ins rechte Herz geleitet. Dieser Anteil des Blutstroms zirkuliert im Gefolge immer wieder durch den Lungenkreislauf, ohne für den Gesamtorganismus zur Verfügung zu stehen. Zu Beginn haben die Kinder meist keine Symptome, auf lange Sicht können daraus jedoch eine Überlastung des Lungenkreislaufs mit Lungenhochdruck sowie eine Herzmuskelschwäche des rechten Herzens resultieren.
Kammerseptumdefekt (Ventrikelseptumdefekt, VSD)
Loch in der aus membranösen und muskulären Anteilen bestehenden Herzscheidewand zwischen den Herzkammern. Durch den Defekt besteht eine Kurzschlussverbindung, über die das sauerstoffreiche Blut von der linken in die rechte Herzkammer gelangt (Links-Rechts-Shunt). Vor allem die rechte Herzkammer muss mehr Blutvolumen pumpen, die Durchblutung der Lunge wird vermehrt. Bei sehr großen Defekten ist auch der Blutdruck in der Lunge erhöht, mit der Zeit kann eine Herzmuskelschwäche der rechten Herzkammer entstehen. Kleine Defekte verursachen meist keine Krankheitssymptome, größere Defekte belasten den Kreislauf und führen vermehrt zu Atemwegsinfekten und insbesondere bei Säuglingen zu Gedeihstörungen.
Persistierender Ductus Arteriosus Botalli (PDA)
Der Ductus arteriosus (syn. Ductus Botalli) ist ein kleines Gefäß, das beim ungeborenen Kind die Aorta mit der Lungenschlagader verbindet und sich normalerweise nach der Geburt verschließt. Ist dies nicht der Fall, spricht man von einem offenen (persistierenden) PDA. Dies kommt insbesondere bei frühgeborenen Babys vor. Bei einem großen PDA fließt viel Blut aus der Aorta in die Lungenschlagader. Die Lunge wird dadurch verstärkt durchblutet, der Körper trotz vermehrter Herzarbeit weniger gut. Es kommt zu einer vermehrten Rechtsherzbelastung. Bei manchen angeborenen Herzfehlern ist ein offener Ductus arteriosus lebensrettend, weil über ihn Blut zwischen Körper- und Lungenkreislauf gemischt werden kann. Er kann nach der Geburt durch eine Infusion mit dem Medikament Prostaglandin offen gehalten werden.
AV-Kanal (Atrioventrikulärer Septumdefekt, AVSD)
Fehlbildung der Scheidewand zwischen den Vorhöfen und Kammern sowie der AV-Klappen (atrioventrikuläre Klappen – Klappen zwischen Vorhöfen und Kammern). Alle diese Strukturen werden durch das Verschmelzen der sogenannten „Endokardkissen“ gebildet. Bei ausbleibender oder mangelhafter Verschmelzung entstehen ein Loch im unteren Teil der Vorhofscheidewand und ein weiteres Loch im oberen Teil der Kammerscheidewand. Statt zwei AV-Klappen entsteht eine gemeinsame AV-Klappe mit meistens fünf Segeln. Besonders häufig sind Kinder mit Trisomie 21 betroffen. Durch die Löcher in den Herzscheidewänden kommt es zu Kurzschlussverbindungen vom linken Herzen zum rechten (Links-Rechts-Shunt). Die gemeinsame AV-Klappe ist häufig undicht (AV-Klappeninsuffizienz), was zur weiteren Erschwernis der Herzfunktion beiträgt. Ist der Anteil des Kammerdefekts sehr groß, erhöht sich der Druck im Lungenkreislauf und das rechte Herz ist vermehrt belastet.
Hinweis
Nähere Informationen über das Herz finden Sie unter Anatomie und Funktion des Herzens.
Komplexe Herzfehler
Die sehr komplizierten Herzfehler gehen häufig mit einer Untersättigung des Blutes mit Sauerstoff einher. Die Patientinnen/Patienten weisen eine Blaufärbung der Lippen, Finger und Zehen auf („Blue Babies“). Diese sogenannte Zyanose entsteht durch Zumischung von sauerstoffarmem Blut in die Körperschlagader und tritt bei verschiedenen Herzfehlern auf. Diese Neugeborenen bedürfen schon innerhalb der ersten Lebenstage einer Behandlung und haben daher einen großen Vorteil, wenn bereits vor der Geburt die Diagnose gestellt wurde (Fetaler Ultraschall/Organscreening) und die Geburt in einem spezialisierten Zentrum erfolgt.
- Transposition der großen Arterien: Die großen Gefäße (Aorta und Pulmonalarterie) sind vertauscht: Die Aorta entspringt aus der rechten Herzkammer, dadurch erhält der Körper nur das sauerstoffarme Blut. Die Pulmonalarterie entspringt aus der linken Herzkammer und bringt das bereits sauerstoffreiche Blut wiederum in die Lunge.
- Hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS): Die gesamte linke Herzhälfte ist unterentwickelt und nicht funktionsfähig. Die Herzklappen können verengt (stenotisch) oder vollständig verschlossen (atretisch) sein. Das Blut staut sich im linken Vorhof, wenn es nicht mehr über das nach der Geburt geschlossene Foramen ovale in den rechten Vorhof abfließen kann. Die rechte Hauptkammer pumpt ihr Blut nicht nur in die Lunge, sondern über den Ductus arteriosus in den Körperkreislauf. Verschließt sich der Ductus arteriosus, erhält der Körperkreislauf kaum noch Blut und das Baby erleidet einen Kreislaufschock. Wird der Fehler nicht frühzeitig erkannt, stirbt das Kind innerhalb kurzer Zeit.
- Fallot Tetralogie (TOF): Dieser Herzfehler umfasst folgende vier Veränderungen im Herzen:
- großer Ventrikelseptumdefekt (VSD) = Loch in der Kammerscheidewand;
- Enge (Stenose) der Ausstrombahn der rechten Herzkammer unterhalb der Lungenschlagader und/oder eine Enge der Lungenschlagaderklappe;
- vergrößerte Aorta, die über dem Kammerscheidewanddefekt „reitet“;
- verdickte Muskulatur der rechten Herzkammer (Rechtsherzhypertrophie).
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 10. August 2018
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Prof. Dr. Ina Michel-Behnke