Hämophilie
Inhaltsverzeichnis
Welche Formen von Hämophilie gibt es?
Es gibt verschiedene Formen von Hämophilie, die meist vererbt sind. Die bekanntesten sind Hämophilie A und Hämophilie B:
- Hämophilie A: Bei Hämophilie A+ kommt es zu verminderter Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII. Fehlt dieser Gerinnungsfaktor, handelt es sich um Hämophilie A -. Hämophilie A tritt bei ca. einem von 4.000 bis 5.000 Männern auf.
- Hämophilie B: Bei Hämophilie B kommt es zu verminderter Aktivität des Gerinnungsfaktors IX. Hämophilie B tritt bei ca. einem von 15.000 Männern auf.
Ungefähr die Hälfte bis ein Drittel der Betroffenen mit Hämophilie A hat eine schwere Hämophilie. Bei Hämophilie B ist es ein Drittel bis die Hälfte der Betroffenen. D.h., es sind eher mehr Menschen mit Hämophilie A von einer schweren Hämophilie betroffen.
Die besonders seltene Hämophilie C – auch Rosenthal-Syndrom genannt – ist durch einen Mangel an Gerinnungsfaktor XI – auch Faktor XI genannt – gekennzeichnet.
Welche Schweregrade von Hämophilie gibt es ?
Die Fachwelt unterscheidet folgende Schweregrade von Hämophilie, bei denen auch die Restaktivität des jeweiligen Gerinnungsfaktors für die Einteilung eine Rolle spielt:
- Subhämophilie (16 bis 50 Prozent Restaktivität des Gerinnungsfaktors): In der Regel keine Symptome; Blutungsneigung nur nach schwerer Verletzung oder Operation.
- Leichte Hämophilie – auch milde Hämophilie genannt (sechs bis 15 Prozent Restaktivität des Gerinnungsfaktors): Es kommt erst nach einer schweren Verletzung zu Hämatomen u.a. in Muskeln oder Gelenken.
- Mittelschwere Hämophilie (ein bis fünf Prozent Restaktivität des Gerinnungsfaktors): Es kommt bereits nach einer leichten Verletzung zu Hämatomen, allerdings seltener in Muskeln oder Gelenken. Auch ohne Verletzung kann ein Hämatom auftreten.
- Schwere Hämophilie (unter ein Prozent Restaktivität des Gerinnungsfaktors): Es kommt ohne Verletzung zu Hämatomen. Die Blutungen nach Operationen oder anderen Eingriffen sind viel stärker als üblich. Schwere Hämophilie kommt fast nur bei Männern vor.
Welche Symptome zeigen sich bei Hämophilie?
Je nachdem wo die Blutung auftritt, zeigen sich unterschiedliche Symptome bei einer Hämophilie. Dazu können z.B. zählen:
- Wiederholtes Nasenbluten
- Häufige Blutergüsse – Hämatome, etwa an der Haut
- Starkes Bluten bereits nach kleinen Verletzungen
- Sehr starke Menstruationsblutungen
- Blutung im Muskel mit Schmerzen und Schwellung in diesem Bereich
- Blut im Stuhl bzw. starke Bauchschmerzen bei Blutung im Darm
- Blut im Urin bei Blutung in der Niere
- Starke Kopfschmerzen und Bewegungsstörungen als mögliche Symptome bei einer Blutung im Gehirn oder Rückenmark
Blutungen können prinzipiell überall im Körper vorkommen. Eine umgehende ärztliche Abklärung dieser Symptome ist notwendig – auch zur Abklärung möglicher anderer Erkrankungen.
Besonders starke Blutungen oder Schmerzen bzw. neurologische Probleme wie Bewegungsstörungen sind medizinische Notfälle – rufen Sie die Rettung unter der Telefonnummer 144.
Die meisten Menschen mit schwerer Hämophilie zeigen bereits innerhalb der ersten eineinhalb Lebensjahre Symptome wie Hämatome, Blutungen in Gelenken oder vermehrte Blutung nach einer Verletzung des Mundes oder etwa nach einem operativen Eingriff. Im Gegensatz dazu treten Symptome bei einer leichten Hämophilie häufig erst später auf, manchmal sogar erst im Lauf des Erwachsenenlebens.
Welche Ursachen hat eine bei Hämophilie?
Eine Hämophilie wird meistens vererbt. Meist ist die Ursache ein Fehler in einem Gen, das für die Bildung des betroffenen Gerinnungsfaktors wesentlich ist. Die Gene für die Gerinnungsfaktoren liegen auf dem sogenannten X-Chromosom. Im menschlichen Körper ist normalerweise jedes Gen zweimal vorhanden.
Die Zellen von Frauen enthalten zwei X-Chromosomen, die Zellen von Männern eines. Hat nun eine Frau auf einem X-Chromosom ein defektes Gen, reicht meist das zweite gesunde Gen auf dem anderen X-Chromosom aus, damit die Blutgerinnung normal funktioniert. Sehr selten sind bei einer Frau beide Gene defekt.
Die Erkrankung wird von weiblichen Trägerinnen des Gens an männliche Kinder weitergegeben. Das betrifft jedoch nicht jedes Kind, sondern ungefähr die Hälfte der männlichen Kinder einer Trägerin. Töchter von Männern mit Hämophilie tragen das Gen ebenso in sich. Eine Übertragung von Vätern auf Söhne findet nicht statt.
In ca. dreißig Prozent der Fälle kommt es zu einer spontanen Veränderung des betroffenen Gens – also nicht zu einer Vererbung.
Welche Spätfolgen können bei Hämophilie auftreten?
Mögliche Spätkomplikationen bei Hämophilie können u.a. sein:
- Gelenkschmerzen nach wiederholter Blutung in ein Gelenk – vor allem an Knie, Ellenbogen sowie Fußknöchel
- Neurologische Probleme nach einer wiederholten Blutung in ein Gelenk mit möglicher Zerstörung des Gelenks
- Muskelschwund sowie Verkürzung der Muskeln
- Erniedrigte Knochendichte mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche
- Neurologische Probleme nach einer Gehirnblutung
Die Ärztin oder der Arzt klärt über mögliche Komplikationen und Vorbeugung auf. Die Behandlung der Komplikationen erfolgt individuell je nach bestehenden Beschwerden.
Wie wird die Diagnose einer Hämophilie gestellt?
Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte. Sie oder er fragt nach Symptomen und seit wann sie bestehen. Zudem erkundigt sich die Ärztin nach Hämophilie oder ähnlichen Erkrankungen in der Familie. Es erfolgt eine körperliche Untersuchung.
Zudem wird die Ärztin oder der Arzt üblicherweise einen genetischen Test – ggf. auch für Verwandte – vorschlagen.
Im Labor werden nach einer Blutabnahme vor allem bestimmt:
- Gerinnungsfaktor VIII und IX
- Thrombozyten
- Blutungszeit
- INR
- aPTT
Weitere Informationen finden Sie unter Laborwerte-Tabelle.
Die Ärztin oder der Arzt klärt auch mögliche andere Erkrankungen ab, die für die Beschwerden infrage kommen.
Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es bei Hämophilie?
Fachleute unterscheiden im Allgemeinen folgende Ansätze der Behandlung:
- eine vorbeugende Therapie: zur Verringerung des Risikos einer Blutung bzw. Verbesserung der Gerinnungsfähigkeiten des Blutes und
- eine Bedarfsbehandlung: zur Blutstillung bei akuter Blutung; bzw. vor einem Eingriff wie einer Operation oder einer Geburt – zur Verringerung des Risikos einer Blutung.
Die Ärztin oder der Arzt bespricht die Behandlung mit der Patientin und dem Patienten bzw. mit den Eltern oder nahen Bezugspersonen. Bei der Wahl der Therapie spielen u.a. die Form der Hämophilie sowie der Schweregrad der Erkrankung eine Rolle.
Die Ärztin oder der Arzt kann zudem Fragebögen einsetzen, um die Beschwerdelast der Patientin oder des Patienten – auch im Therapieverlauf – genauer festzustellen. Das hat u.a. zum Ziel, individuelle Therapiemaßnahmen zu ergreifen, die sich etwa auf die Lebensqualität positiv auswirken. Die Ärztin oder der Arzt informiert zudem zu Kontrolluntersuchungen.
Die Therapie ermöglicht es in der Regel Menschen mit Hämophilie, den Alltag gut zu bewältigen.
Hinweis
Die Ärztin oder der Arzt informiert zu den jeweiligen Medikamenten, ihrer Anwendung bzw. Verabreichungsform, Kontraindikationen sowie Nutzen und Risiken.
Allgemeine vorbeugende Therapie – Prophylaxe
Bei der vorbeugenden Behandlung zur Verringerung des Risikos einer Blutung bzw. Verbesserung der Gerinnungsfähigkeiten des Blutes erfolgt zwei- bis dreimal pro Woche eine Gabe von sogenannten Faktorkonzentraten. Faktorenkonzentrate können aus Blutprodukten oder künstlich bzw. gentechnisch hergestellt werden. Dosis und Häufigkeit sind u.a. abhängig vom Verlauf der Erkrankung sowie dem verabreichten Produkt.
Bei Hämophilie A wird Faktor VIII verabreicht, bei Hämophilie B Faktor IX – vor allem bei einer schweren Hämophilie.
Bei einer schweren Hämophilie A kann statt Faktorenkonzentraten ein sogenanntes Antikörper-Präparat mit dem Wirkstoff Emicizumab zur Anwendung kommen. Dieses ersetzt die Funktion von Faktor VIII.
Die Ärztin oder der Arzt kann auch eine Gentherapie vorschlagen. Diese hat das Ziel, mit einer einmaligen Infusion den jeweiligen Mangel des Gerinnungsfaktors zu beheben. In Österreich werden derzeit noch klinische Erfahrungen dazu gesammelt.
Bedarfsbehandlung
Bei einer akuten Blutung erfolgt die Gabe von den jeweiligen Faktorenkonzentraten, um die Blutung zu stillen. Begleitend können bei Schmerzen Schmerzmittel zur Anwendung kommen. Je nach Ort und Art der Blutung erfolgt eine dementsprechende Versorgung – mitunter auch notfallmedizinisch.
Bei leichten bis mittelschweren Formen von Hämophilie A kann die Ärztin oder der Arzt den Wirkstoff Desmopressin bei leichten Blutungen verschreiben. Bei einer Gelenkblutung erfolgt ggf. auch eine Punktion des Gelenks. Zudem kommt eventuell eine Physiotherapie zum Einsatz.
Vor, während sowie einige Tage nach einer Operation oder eines anderen größeren Eingriffs erfolgt meist die Gabe von Faktorenkonzentraten, um das Risiko einer Blutung zu verringern.
Auch vor einer Geburt ist es wichtig, dass eine genaue Planung und Beratung stattfinden. Das dient u.a. dazu, Risiken für Mutter und Kind zu verringern. Risiken für die Mutter sind etwa vermehrte Blutungen während der Geburt. Das betrifft auch Frauen, die das Gen nur in sich tragen – also Trägerinnen des Gens sind. Risiken für ein möglicherweise betroffenes Kind sind u.a. Blutungen während oder nach der Entbindung.
Behandlung bei Antikörperbildung gegen Faktorenkonzentrate
Selten kann es zu einer Bildung von Antikörpern nach Gabe von Faktor VIII – noch seltener nach Gabe von Faktor IX – kommen. Bei akuten Blutungen erhalten Betroffene dann andere Präparate, die die Aktivität des Faktors ersetzen sollen.
In diesen Fällen wird die Ärztin oder der Arzt zudem Medikamente wie Immunsuppressiva sowie ggf. eine Plasmapherese vorschlagen – mit dem Ziel, diese Antikörper zu eliminieren, sie unschädlich zu machen.
Schulungen für Betroffene und Angehörige
Durch Schulungen kann man zudem den Umgang mit der Erkrankung sowie der Therapie und Erste-Hilfe-Maßnahmen erlernen – bereits von Kindesalter an. Schulungen können zum Beispiel mobile Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen oder Allgemeinmediziner:innen bzw. Kinderärztinnen oder Kinderärzte durchführen. Zudem kann man lernen, die Medikamente selbst zu verabreichen – das nennt sich Heimtherapie.
Leben mit Hämophilie: Was kann ich selbst tun?
Folgende Maßnahmen für den Alltag mit Hämophilie helfen u.a. dabei, das Blutungsrisiko zu verringern:
- Immer einen Befund bei sich tragen, auf dem steht, dass man diese Erkrankung hat. Bei jedem Besuch bei einer Ärztin oder einem Arzt oder vor einer Operation oder einem ähnlichen Eingriff diesen Befund herzeigen. Bei Kindern ist es zudem wichtig, dass der Kindergarten und die Schule über die Erkrankung Bescheid wissen.
- Aktiv beim Arztbesuch danach fragen, was man tun kann, wenn es zu Blutungen kommt, und welche Medikamente man nicht nehmen sollte. Einige Medikamente können das Risiko von Blutungen erhöhen – wie etwa NSAR.
- Behandlungen und Kontrollen bei der Ärztin oder dem Arzt regelmäßig wahrnehmen.
- Sport und Bewegung können deutlich zur Lebensqualität beitragen. Fachleute empfehlen tägliche Bewegung im Alltag. Das trägt allgemein zu einem gesunden Lebensstil bei. Zudem hat Bewegung positive Effekte auf das Halten des Gleichgewichts, die Beweglichkeit und die Knochendichte. Allerdings ist es wesentlich, Sport mit der Ärztin oder dem Arzt abzusprechen. Denn es ist u.a. wichtig, dass die Gelenke nicht zu stark beansprucht werden und keine große Verletzungsgefahr besteht. Schwimmen, Tennis, Golf oder Radfahren sind zum Beispiel möglich. Vor allem Kontaktsportarten sollten jedoch aufgrund der Verletzungsgefahr vermieden werden.
- Regelmäßig die Zähne putzen und Zahnarzttermine wahrnehmen. Das dient u.a. dazu, das Zahnfleisch möglichst gesund zu erhalten und somit Zahnfleischbluten zu vermeiden.
- Für Reisen vorsorgen – z.B. bezüglich der passenden Medikamente.
Zu weiteren hilfreichen Maßnahmen im Alltag mit Hämophilie zählt zum Beispiel auch ein Austausch in einer Selbsthilfegruppe.
Zudem kann psychosoziale Unterstützung bei psychischen Belastungen bzw. Problemen helfen. Informationen zu Anlaufstellen für die Psyche finden Sie unter Wenn die Psyche Hilfe braucht.
Wohin kann ich mich wenden?
Bei ersten Hinweisen, die auf eine Hämophilie hindeuten, können Sie sich an folgende Anlaufstellen wenden – bei Bedarf erfolgt eine Weiterüberweisung:
- Ärztin oder Arzt für Allgemeinmedizin
- Primärversorgungseinheit (PVE)
- Fachärztin oder Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde
- Kinder-Primärversorgungseinheit
Besonders starke Blutungen oder Schmerzen bzw. neurologische Probleme wie Bewegungsstörungen sind medizinische Notfälle – rufen Sie die Rettung unter der Telefonnummer 144 an.
Die Diagnose sowie genetische Abklärungen von verwandten Personen und Behandlung einer Hämophilie erfolgen in der Regel in einer darauf spezialisierten Ambulanz bzw. in einem sogenannten Treatment Center. Spezialisierte Anlaufstellen finden Sie auf der Website der Österreichischen Hämophilie-Gesellschaft.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger. Weitere Informationen finden Sie außerdem unter:
- Recht auf Behandlung
- Arztbesuch: Kosten und Selbstbehalte
- Was kostet der Spitalsaufenthalt
- Rezeptgebühr: So werden Medikamentenkosten abgedeckt
- Reha & Kur
- Heilbehelfe & Hilfsmittel
- Gesundheitsberufe A-Z
sowie über den Online-Ratgeber Kostenerstattung der Sozialversicherung.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 28. November 2025
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr. Rene Hauer, Facharzt für Medizinische und Chemische Labordiagnostik