Hospiz- und Palliativversorgung: Psyche und Spiritualität
Inhaltsverzeichnis
Welche emotionalen Phasen können am Lebensende auftreten?
Die Schweizer Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross beschrieb Phasen, wie viele Menschen sich fühlen bzw. verhalten, wenn sie erfahren, dass sie eine Erkrankung haben, an der sie sterben werden. Das Modell beschreibt fünf Abschnitte, die ineinander übergehen, und hat vor allem das äußere wie innere Verhalten im Blick. Diese Beschreibung kann hilfreich sein, um das Verhalten von Sterbenden bzw. sich selbst besser zu verstehen. Wichtig ist zu wissen, dass diese Einteilung komplexe emotionale Reaktionen sehr vereinfacht darstellt und dass jeder Mensch in dieser Situation individuell reagiert. Die Dauer dieser Phasen kann sehr unterschiedlich sein, und sie können auch parallel ablaufen oder übersprungen werden.
Folgende Phasen werden beschrieben:
- Nicht Wahrhabenwollen und Rückzug bzw. Isolation,
- Zorn,
- Verhandeln (z.B. Hoffen auf bisher unbekannte Behandlung),
- Depression,
- Akzeptanz.
Welche psychischen Belastungen können auftreten?
Menschen gehen sehr unterschiedlich mit der letzten Lebensphase und dem Sterben um. Es können sich auch schwerwiegende psychische Reaktionen bis hin zu psychischen Erkrankungen entwickeln.
Psychische Erkrankungen können jedoch auch als Begleiterkrankungen vorliegen. Weitere mögliche Ursachen für psychische Belastungen am Lebensende sind:
- bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (z.B. besonders pessimistische, eher introvertierte/extrovertierte Menschen),
- (zusätzliche) Konfliktsituationen oder
- psychische Vorerkrankungen.
Häufige belastende Gefühle, Beschwerden bzw. psychische Erkrankungen am Lebensende sind:
- Angst sowie Angststörung
- Trauer bzw. Depression
- Wut/Zorn bzw. Aggression
- Schlafstörungen
- Fatigue (andauernde Müdigkeit)
- Psychose oder Delir
Wie können psychische Belastungen behandelt werden?
Bei psychischen Belastungen können Gespräche mit Familie, Freunden bzw. anderen nahestehenden Menschen hilfreich sein. Es kommt häufig vor, dass unheilbar kranke Menschen und deren An- und Zugehörige (z.B. Freunde) schwierige Gespräche meiden, um sich gegenseitig nicht zu belasten. Dies ist jedoch in den meisten Fällen ein Trugschluss. Gemeinsame Gespräche z.B. über Wertevorstellungen, Gefühle, zukünftige Entscheidungen oder den Tod wirken in der Regel sowohl für unheilbar Kranke als auch für deren Bezugspersonen entlastend. Daneben können Missverständnisse beseitigt und Beziehungen gefestigt werden. Gespräche sollten jedoch nicht gegen den Willen eines Gesprächspartners geführt werden.
In der Hospiz- und Palliativversorgung nimmt die Biografiearbeit (z.B. im Rahmen einer psychologischen Behandlung oder Psychotherapie, aber auch im allgemeinen Pflege- bzw. Betreuungsprozess) einen hohen Stellenwert ein. Dabei werden Informationen zu Einstellungen, Vorlieben bzw. Abneigungen, bedeutsamen Erlebnissen und Lebensphasen bzw. lebenslange Probleme in Erfahrung gebracht. Mit diesem Wissen im Hintergrund kann die Betreuung individuell gestaltet werden. Zudem ist es unheilbar Kranken häufig ein Bedürfnis, konfliktreiche Lebenssituationen bzw. Beziehungen aufzuarbeiten und Konflikte zu lösen.
Zudem stellt die professionelle Linderung psychischer Beschwerden bzw. die Behandlung psychischer Erkrankungen einen wichtigen Aspekt in der Hospiz- und Palliativversorgung dar. Psychische Beschwerden und Erkrankungen werden in der Hospiz- und Palliativversorgung ganzheitlich betrachtet. Dabei werden zu Vorsorge, Begleitung und Behandlung psychologische Betreuung, Psychotherapie, Seelsorge, soziale Hilfestellungen und medizinische Therapien herangezogen.
Psychische Beschwerden können auch körperliche Ursachen haben. Wenn diese behandelt werden, können sich daher auch psychische Beschwerden wieder zurückbilden. Zudem werden durch die Linderung körperlicher Beschwerden Patientinnen/Patienten psychisch entlastet.
Zu körperlichen Veränderungen bzw. Erkrankungen, die psychische Beschwerden verursachen können, zählen z.B.:
- Blutarmut,
- Gehirnmetastasen,
- Flüssigkeitsmangel,
- Sauerstoffmangel,
- Entzündungsreaktionen des Körpers.
Psychische Belastungen können auch gezielt durch Medikamente behandelt werden:
- Angststörung: Anxiolytika (angstlösende Medikamente);
- Depression: vor allem Antidepressiva;
- Schlafstörung: Hypnotika (Schlafmittel);
- Fatigue: Psychostimulanzien („Aufputschmittel“) – die positive Wirkung dieser Medikamente ist hierbei jedoch nicht stark ausgeprägt – sowie Kortikosteroide vor wichtigen Anlässen (z.B. Familienfest);
- Psychose bzw. Delir: vor allem Neuroleptika.
Die Rolle der Spiritualität in der letzten Lebensphase
Spiritualität gewinnt bei vielen Menschen in Anbetracht des Todes an Bedeutung. Auf der einen Seite können ein Glaube bzw. eine Weltanschauung es ermöglichen, einer lebensbedrohlichen Erkrankung gefestigt entgegenzusehen. Auf der anderen Seite können Schmerzen und andere belastende Beschwerden bzw. das Nahen eines ungewollten Lebensendes ein Glaubensgerüst ins Wanken bringen. Das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber „der Natur“ oder „den unergründlichen Wegen Gottes“ kann u.a. Angst, Wut und Trauer hervorrufen. Das kann dazu führen, dass eine zuvor Halt gebende Weltanschauung infrage gestellt wird. Dies kann sehr belastend sein.
Wenn eine bestimmte Weltanschauung mit einer Lebensführung einhergegangen ist, die intuitiven Wünschen einer Person widersprochen hat, kann dies ebenfalls Wut, Zorn und Trauer auslösen.
Wie werden Menschen in der letzten Lebensphase spirituell betreut?
Die spirituelle Begleitung (engl. Spiritual Care) unheilbar kranker Menschen nimmt in der Hospiz- und Palliativversorgung einen hohen Stellenwert ein. Das gesamte Palliativ- bzw. Hospizteam berücksichtigt bei der Beratung, Begleitung, Behandlung bzw. Pflege die individuellen Glaubensgrundsätze und Wertevorstellungen der Patientinnen/Patienten.
Eine spirituelle Betreuung wird vor allem durch Seelsorgerinnen/Seelsorger vorgenommen. Mit diesen können z.B. Glaubensfragen diskutiert, gemeinsame Gebete gesprochen und Abschiedsrituale geplant bzw. durchgeführt werden. Zudem kann gemeinsam versucht werden, innere spirituelle Konflikte zu lösen und Wertvorstellungen der aktuellen Situation anzupassen.
In jeder Einrichtung der Hospiz- und Palliativversorgung sind Seelsorgerinnen/Seelsorger verfügbar. Telefonisch können Sie rund um die Uhr mit der Österreichischen Telefonseelsorge Kontakt aufnehmen.
In spirituellen Konflikt- bzw. Krisensituationen können zusätzlich eine Psychologin/ein Psychologe bzw. eine Psychotherapeutin/ein Psychotherapeut unterstützend hinzugezogen werden.
Mehr zum Thema Krisenintervention finden Sie hier.
Hinweis
Bei einer akuten psychischen Krise können Sie z.B. den psychosozialen Dienst kontaktieren.Weitere Notrufnummern finden Sie hier.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 30. August 2018
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Mag. Anna Pissarek - Dachverband Hospiz Österreich