Familientherapie
Der Ausdruck Familientherapie wird meistens zuerst mit der Systemischen Familientherapie oder dem Begriff der sogenannten Familienaufstellung in Verbindung gebracht.
Dabei ist Familientherapie ein viel breiteres Feld, und eine Aufstellung hat manchmal gar nichts mit einer professionell durchgeführten Therapie gemeinsam. Im Gegenteil – unsachgemäß durchgeführte pseudotherapeutische Familienaufstellungen (von nicht autorisierten Personen) können die psychische Gesundheit gefährden.
Inhaltsverzeichnis
Warum Hilfe „von außen“?
Wann kann die Inanspruchnahme einer Familientherapie sinnvoll sein? Wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie professionelle Unterstützung benötigen, scheuen Sie sich nicht, eine Psychotherapeutin/einen Psychotherapeuten mit Spezialisierung auf Familientherapie oder eine Familienberatungsstelle zu kontaktieren. Krisen und Probleme in Partnerschaft und Familie gehören in jedem Fall zum Einsatzgebiet für Psychotherapie – sowie auch z.B. Lebenskrisen oder belastende Ereignisse (etwa schwere Erkrankung eines Familienmitglieds). Zudem kann es hilfreich sein, bei einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensauffälligkeit eines Familienmitglieds (z.B. eines Elternteils oder eines Kindes) die gesamte Familie oder zumindest einen Teil davon mit einzubinden. Denn das in der Therapie Erlernte soll auch im Alltag auf fruchtbaren Boden und Verständnis stoßen, um langfristig zu Erfolgen zu führen. Weitere Gründe für eine Psychotherapie finden Sie auf der Homepage des Bundesverbandes für Psychotherapie. Einen kurzen Überblick über psychische Erkrankungen finden Sie unter Wenn die Psyche erkrankt. Bei Bedarf können auch andere Therapiemethoden miteinbezogen werden z.B. Musiktherapie durch eine Musiktherapeutin/einen Musiktherapeuten.
Familientherapie im Fokus
Die beiden Psychotherapiemethoden Psychodrama und Systemische Familientherapie bereiteten den Boden für die therapeutische Arbeit mit Familien. Beides sind in Österreich anerkannte Psychotherapiemethoden. In der Systemischen Familientherapie fließen mehrere international historisch gewachsene Einflüsse unterschiedlicher Richtungen ein, die unter anderem auch aus den USA und Italien stammen. Systemische Familientherapie sieht den Menschen mit seinen Problemen im Kontext zu seinen sozialen Beziehungen. Die aktuelle Lebenssituation und die Interaktionen in Familie, Partnerschaft oder anderen Systemen (z.B. Arbeitsumfeld) werden thematisiert. Dabei stützt sich diese Therapieform besonders auf vorhandene Ressourcen – die eigenen Stärken werden erinnert und eingesetzt.
Gemeinsam Lösungen finden
Gemeinsam mit der Therapeutin/dem Therapeuten findet die Klientin/der Klient bzw. die Familie neue Wege zur Lösung von Problemen und zur Steuerung des Verhaltens und der Kommunikation. Die Sitzungsfrequenz ist variabel (kurze bis lange Abstände). Nicht nur Familienmitglieder können in die Therapie mit einbezogen werden, sondern auch andere Personen, die eine tragende Rolle spielen. Es werden unterschiedliche methodische Techniken angewandt, z.B. Fragetechniken, unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten der familiären bzw. systemischen Vernetzung (etwa Aufzeichnen der Familienkonstellation) sowie die sogenannte Familienskulptur. Bei dieser werden die Familienmitglieder im Raum so angeordnet, wie sie von der Klientin/dem Klienten oder von therapeutischer Seite her erlebt werden. Dabei kommt oft Unausgesprochenes oder Unbewusstes an die Oberfläche, und mit dieser Erkenntnis kann im Anschluss weitergearbeitet werden. Das eigene Erleben und Verhalten kann dadurch auch von einem neuen Blickwinkel aus betrachtet werden. Dem Thema Familienaufstellung ist ein eigener Absatz gewidmet.
Es gibt jedoch auch noch andere Psychotherapiemethoden, die besondere Behandlungstechniken mit dem Fokus Familie entwickelt haben, z.B. wie bereits im oben genannten Psychodrama, der Individualpsychologie, Verhaltenstherapie oder Gestalttherapie. Nähere Informationen über die unterschiedlichen Psychotherapiemethoden finden Sie in der Broschüre des Gesundheitsministeriums „Psychotherapie – Wenn die Seele Hilfe braucht“. In der modernen Psychotherapie finden die Lebensumstände und das soziale Umfeld der Klientinnen/Klienten generell Berücksichtigung. Soziale Beziehungen bilden ein wesentliches Element im Leben von jedem Menschen und wirken sich auf das Wohlbefinden, die weitere Entwicklung etc. aus. Familientherapie ist allerdings speziell auf das Setting Familie ausgerichtet.
Nähere Informationen zum Psychotherapeutenberuf finden Sie unter Psychotherapeutin/Psychotherapeut. Weiterführende Information zum Thema Psychotherapie finden Sie unter Psychotherapie.
Mythos Familienaufstellung
Die Rekonstruktion von Familienstrukturen entstammt psychotherapeutischen Techniken des Psychodramas und der Systemischen Familientherapie (wie die bereits genannte Familienskulptur). Bei einer Familienaufstellung nehmen Teilnehmerinnen/Teilnehmer einer Gruppentherapie Rollen von Familienmitgliedern einer Gruppenteilnehmerin/eines Gruppenteilnehmers ein. Dabei werden diese soziometrisch aufgestellt (Nähe-/Distanz-Verhältnis, ab- oder zugewandt etc.). Die Patientin/der Patient selbst weist die Rollen zu. Personen, die in die Rollen geschlüpft sind, sprechen danach über ihre Wahrnehmungen und Gefühle, sodass neue Informationen zutage treten bzw. sich neue Sichtweisen ergeben können.
Immer wieder häufen sich jedoch Angebote zu Familienaufstellungen, systemischen Aufstellungen etc. von Anbietern, die nicht aus dem Bereich der Gesundheitsberufe stammen, z.B. Coaches, Dipl. Lebens- und Sozialberaterinnen/Sozialberater, in der Erwachsenenbildung. Der Begriff der Familienaufstellung ist nicht geschützt. Bei einer Beratung, welche die genannten Berufsgruppen anbieten können, steht der gesunde Mensch im Mittelpunkt, der sich entwickelt oder selbst erfahren möchte.
Hinweis
Das Aufstellen ist eine psychotherapeutische Technik, die ohne qualifizierte Leitung zu schweren gefühlsmäßigen Belastungsreaktionen führen und die Gesundheit nachhaltig gefährden kann (z.B. Auftreten von Depressionen).
Es ist daher wesentlich, zwischen therapeutischem und beratendem Hintergrund zu unterscheiden und sich zuvor genau über die Qualifikation der Anbieter zu informieren. Nur folgende Gesundheitsberufe dürfen psychische und psychosomatisch bedingte Leidenszustände behandeln unter Zugrundelegung der jeweiligen Gesetzgebung:
- Ärztinnen/Ärzte
- Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten
- Klinische Psychologinnen/Psychologen
- Gesundheitspsychologinnen/Gesundheitspsychologen
Eine Information zum Themenbereich „Aufstellungsarbeit“ (sowie zu ähnlich lautenden Angeboten in Psychotherapie und Beratung) des BMSGPK bietet nähere Informationen und auch Tipps bzw. Qualitätskriterien, die Sie bei der Suche nach professioneller Hilfe unterstützen können.
Weitere praktische Informationen, Links & Downloads zum Thema Psyche finden Sie unter Wenn die Psyche Hilfe braucht.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 28. März 2018
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Mag. Brigitte Gratz