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Genderaspekte bei Arzneimitteln

Wirkungen und Verträglichkeit eines Medikaments können sich aufgrund von biologischen, sozialen und kulturellen Faktoren bei Mann und Frau unterscheiden. In der Arzneimittelforschung und bei der medikamentösen Versorgung werden diese Unterschiede immer mehr berücksichtigt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden in beiden Bereichen jedoch auch heute noch Männer bevorzugt, was zu einer medizinischen Benachteiligung von Frauen führt. Bei den meisten Medikamenten machen sich keine Wirkungsunterschiede bemerkbar.

Es gibt jedoch Ausnahmen. Ärztinnen/Ärzte und Apothekerinnen/Apotheker können Auskunft über mögliche Geschlechtsunterschiede bei Wirkungen beziehungsweise Nebenwirkungen eines Arzneimittels geben. Auch in Packungsbeilagen von Medikamenten finden sich diesbezüglich manchmal Hinweise.

Aufnahme, Verteilung im Körper, Aktivierung, Wirkung, Inaktivierung und Ausscheidung von Arzneimitteln können bei Frauen und Männern unterschiedlich sein. Bei Frauen können diese Faktoren unter anderem durch die weiblichen Geschlechtshormone beeinflusst werden. Deren Spiegel schwanken im gebärfähigen Alter im Laufe des weiblichen Zyklus sowie während der Schwangerschaft und sinken im Wechsel. Daher ist die genaue Untersuchung von Arzneimittelwirkungen und -nebenwirkungen bei Frauen komplizierter als bei Männern.

Genderaspekte in der Arzneimittelforschung

Bis in die 1960er-Jahre wurden Arzneimittel an Frauen und Männern getestet. Danach wurden Arzneimittelprüfungen jahrzehntelang fast nur noch an Männern durchgeführt. Damals wurden schwere Arzneimittelnebenwirkungen bei Kindern von Müttern festgestellt, die in der Schwangerschaft bestimmte Medikamente eingenommen hatten. Ein Beispiel dafür war Contergan. Dieses Medikament wurde unter anderem gegen Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt und führte zu Fehlbildungen von Armen und Beinen bei ungeborenen Kindern. Pharmafirmen schlossen Frauen daraufhin mit der Begründung aus Arzneimittelstudien aus, dass ein möglicher Eintritt einer Schwangerschaft während einer laufenden Studie das ungeborene Kind schädigen könne. In den 1970er-Jahren wurde ein Ausschluss von Frauen im gebärfähigen Alter in den USA auch auf staatlicher Ebene empfohlen.

An Männern gewonnene Studienergebnisse wurden unverändert auf Frauen übertragen. Demnach konnten erst nach der Zulassung von Medikamenten Wirkungen und Nebenwirkungen bei Frauen erfasst werden.

In den 1980er-Jahren wurde immer eindringlicher auf die Notwendigkeit des Einbeziehens von Frauen in Arzneimittelstudien aufmerksam gemacht. Ein Grund dafür war die Möglichkeit der Behandlung von HIV/AIDS mit Studienmedikamenten. Diese waren damals fast nur Männern zugänglich. Zudem wurden bei einigen zugelassenen Medikamenten Nebenwirkungen bei Frauen festgestellt, die sich von unerwünschten Wirkungen bei Männern unterschieden oder bei diesen gar nicht auftraten. Ende der 1990er-Jahre wurde in den USA auf staatlicher Ebene eine Leitlinie veröffentlicht, in der eine Einbeziehung von Frauen auch im gebärfähigen Alter ausdrücklich empfohlen wurde. Der Ausschluss einer Schwangerschaft vor Studienbeginn und die Anwendung einer sicheren Verhütungsmethode wurden dabei als Voraussetzungen für die Studienteilnahme festgelegt.

Geschlechtsunterschiede bei Arzneimittelstudien

Klinische Studien müssen nach den Regeln der „guten klinischen Praxis“ geplant, durchgeführt und ausgewertet werden. Diese umfasst einen Katalog international anerkannter ethischer und wissenschaftlicher Qualitätsanforderungen. Die „gute klinische Praxis“ für Arzneimittelstudien erfordert die Untersuchung von geschlechtsabhängigen Wirkungsunterschieden von Medikamenten. Dies wird bei der Prüfung von neuen Wirkstoffen immer mehr beachtet.

Für die erste Phase der Überprüfung eines Arzneimittels am gesunden Menschen werden nach wie vor Medikamente überwiegend an Männern getestet. In dieser Studienphase werden die passende Dosierung, Aufnahme, Verteilung, Aktivierung/Inaktivierung, Wirkung und Ausscheidung eines Arzneimittels geprüft. Da es hier Unterschiede zwischen Männern und Frauen geben kann, wäre ein Geschlechtergleichgewicht auch hier wichtig. In den späteren Studienphasen liegt die Frauenquote bei den Studienteilnehmerinnen/-teilnehmern höher. Die Geschlechterverteilung ist jedoch häufig noch immer nicht ganz ausgeglichen.

Gesetzliche Regelungen

Im Österreichischen Arzneimittelgesetz wird auf die Regelungen der Europäischen Union für die „gute klinische Praxis“ bei Arzneimittelstudien verwiesen. Das Europäische Arzneimittelgesetz verpflichtet dazu, dass die Zusammensetzung (z.B. Alter und Geschlecht) der Studienteilnehmerinnen/Studienteilnehmer die Zielgruppe widerspiegeln muss, für die das untersuchte Medikament vorgesehen ist. Wenn diese Zusammensetzung mit der Zielgruppe nicht übereinstimmt, muss dafür eine Begründung angegeben werden. Bei Frauen im gebärfähigen Alter muss vor dem Eintritt in eine Studie ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. Zudem muss eine sichere Verhütungsmethode angewandt werden, wenn es sich nicht um ein Medikament handelt, das für die Anwendung in der Schwangerschaft vorgesehen ist.

Ärztinnen/Ärzte sind zur Gleichbehandlung aller Patientinnen/Patienten – unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Geschlechtes, ihres Alters und ihrer sozialen Stellung – verpflichtet und müssen daher Frauen und Männern gleichwertige medikamentöse Behandlungen zukommen lassen.

Unterschiedliche Wirkungen im Körper

Viele Medikamente wirken bei Frauen und Männern gleich oder sehr ähnlich. Bei einigen Medikamenten gibt es jedoch Unterschiede bei Wirkungen und Nebenwirkungen. Diese müssen bei der Auswahl, der Dosierung oder der Aufmerksamkeit bezüglich möglicher unerwünschter Wirkungen beachtet werden. Wirkungsunterschiede von Medikamenten bei Frauen und Männern können Ursachen auf mehreren Ebenen haben.

Die Aufnahme von Medikamenten im Körper

Der höhere Säuregehalt der Magensäure von Männern und Unterschiede bei der Aufnahme im Darm können die Aufnahmemenge und die Aufnahmegeschwindigkeit eines Wirkstoffes beeinflussen.

Die Verteilung im Körper

Männer sind durchschnittlich größer und schwerer als Frauen. Hingegen ist der Fettgehalt des weiblichen Körpers höher. Dadurch verteilen sich Wirkstoffe unterschiedlich im Körper. Bei Frauen ist die Konzentration eines Wirkstoffes bei Einnahme der gleichen Arzneimitteldosis im Körper aufgrund des Gewichtsunterschiedes oft höher als bei Männern. Fettlösliche Medikamente werden im Fettgewebe gespeichert und verbleiben daher bei Frauen länger im Körper als bei Männern. Dazu werden Arzneimittel oft an Transporter (Eiweißstoffe) in der Blutbahn gebunden und in verschiedene Gewebe transportiert. Anzahl dieser Transporter und die Bindungsfähigkeit von Arzneimittelwirkstoffen an diese Eiweißstoffe können sich bei Mann und Frau unterscheiden.

Die Verstoffwechslung (Metabolisierung)

Wirkstoffe von Medikamenten können von Enzymen aktiviert und inaktiviert bzw. so umgewandelt werden, dass sie (besser) ausgeschieden werden können. Die Aktivität von Enzymen ist bei Frauen und Männern nicht gleich. Das kann zu einer verstärkten oder abgeschwächten Wirkung bzw. verlängerten oder verkürzten Wirkdauer führen. Auch Lebensstilfaktoren können die Enzymaktivität beeinflussen. Tabakrauchen steigert beispielsweise die Aktivität bestimmter Enzyme (z.B. CYP1A2), die auch gewisse Arzneimittelwirkstoffe abbauen können. Deren Wirkung wird dadurch abgeschwächt. Männer rauchen häufiger als Frauen und sind von dieser Wechselwirkung daher öfter betroffen.

Der Wirkort

Medikamente wirken oft an Bindungsstellen für körpereigene Stoffe (Rezeptoren) oder an Kanälen, die das Ein- und Ausströmen von geladenen Teilchen (Ionen) in die bzw. aus der Zelle ermöglichen. Je größer die Anzahl dieser Bindungsstellen oder Kanäle ist und je besser ein Wirkstoff eine Bindung mit einem Rezeptor oder Kanal eingehen kann, desto stärker ist seine Wirkung. Zusätzlich hängt seine Wirkung auch von der Verteilung von Rezeptoren oder Kanälen im Körper ab. Anzahl, Verteilung im Körper und Form von verschiedenen Rezeptoren und Kanälen sind bei Frauen und Männern nicht gleich. Dadurch können sich Arzneimittelwirkungen bei den beiden Geschlechtern unterscheiden.

Die Ausscheidung

Arzneimittel werden meist über die Nieren und/oder den Darm ausgeschieden. Bei Männern werden Medikamente schneller über die Nieren ausgeschieden als bei Frauen. Auch die Darmfunktion kann sich geschlechtsabhängig unterscheiden.

Wechselwirkungen mit weiblichen Geschlechtshormonen

Auf die Aufnahme, Verstoffwechslung, Wirkung und Ausscheidung von Arzneimitteln können folgende Faktoren Einfluss nehmen:

Nebenwirkungen

Frauen berichten häufiger von Medikamentennebenwirkungen. Ursachen dafür sind:

  • das höhere Risiko von Überdosierungen bei im Durchschnitt niedrigerem Gewicht,
  • häufigere Verordnungen von Medikamenten an Frauen,
  • eine sensiblere Wahrnehmung von Veränderungen im Körper bei Frauen und
  • die ausgeprägtere Neigung, Nebenwirkungen anzusprechen.

Außerdem können Fehldosierungen und unerwünschte Wirkungen bei Frauen bei geringerem Frauenanteil in Arzneimittelstudien möglicherweise schwieriger erkannt und erst nach Zulassung von Medikamenten genauer untersucht werden. Durch die oben genannten Auswirkungen von Schwankungen des Hormonspiegels auf Arzneimittel können unerwünschte Wirkungen in verschiedenen Lebens- bzw. Zyklusphasen gehäuft auftreten.

Geschlechterunterschiede bei Verschreibung und Einnahme

Je nach Geschlechterverteilung von Erkrankungen unterscheiden sich auch die Verschreibungshäufigkeiten von Medikamenten. Frauen werden aus diesem Grund beispielsweise häufiger Migränemittel und Schilddrüsenhormone gegen eine Schilddrüsenunterfunktion verschrieben. Männer bekommen hingegen mehr Medikamente gegen Lungenkrebs.

Einige Unterschiede bei Verschreibungen sind jedoch nicht nur auf Geschlechtsunterschiede bei Erkrankungshäufigkeiten zurückzuführen. Männer erhalten beispielsweise häufiger Medikamente zur Behandlung von hohem Blutdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Aufputschmittel (Psychostimulantien). Frauen werden häufiger Medikamente zur Behandlung von psychischen Störungen (Antidepressiva, Beruhigungs- und Schlafmittel) sowie Schmerzmittel verordnet. Dies ist auch auf soziokulturelle Faktoren zurückzuführen. Dazu zählen Familien-, Bildungs-, Einkommens- und Arbeitsmarktstrukturen sowie unterschiedliche Körperbilder bei Mann und Frau.

Frauen nehmen im Durchschnitt mehr Medikamente ein als Männer. Sie führen auch häufiger Selbstbehandlungen mit rezeptfrei erhältlichen Medikamenten durch. Frauen halten sich aber seltener an medikamentöse Vorschreibungen von Ärztinnen/Ärzten

Beispiele für geschlechtsabhängige Unterschiede

In dieser Tabelle finden Sie Beispiele für Medikamente, bei denen Wirkungs- oder Nebenwirkungsunterschiede bei Mann und Frau vermutet bzw. nachgewiesen werden konnten:

Medikamentengruppe

Beispiele

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Schmerzmittel

bestimmte Opiate (z.B. Morphin)

stärkere Wirkung und höheres Risiko für Nebenwirkungen bei Frauen
Ibuprofen wahrscheinlich stärkere Wirkung bei Männern
Blutdrucksenker Metoprolol stärkere Wirkung und höheres Risiko für Nebenwirkungen bei Frauen
ACE-Hemmer häufiger Husten als Nebenwirkung bei Frauen
einige Antidepressiva Fluvoxamin, Sertralin stärkere Wirkung bei Frauen
Blutgerinnungshemmer

Acetylsalicylsäure (ASS)

schwächere Wirkung gegen Koronare Herzkrankheit (KHK) vor der Menopause bei Frauen, die keine hormonellen Verhütungsmittel anwenden
Clopidogrel, Heparin höheres Blutungsrisiko bei Frauen
Medikament gegen Herzschwäche/schnelles Vorhofflimmern Digoxin höhere Konzentration im Blut von Frauen mit möglicherweise schweren Nebenwirkungen bei Überdosierung
Krebsmedikament 5-Flourouracil höhere Konzentration im Blut von Frauen und dadurch erhöhtes Risiko für Überdosierung und Toxizität (Giftigkeit)
einige Medikamente gegen z.B.

z.B. Haloperidol

z.B. Citalopram

z.B. Ondansetron

z.B. Ciprofloxacin

das Risiko für das Auftreten von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (Torsade-de-pointes-Arrhythmien) ist bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern

Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.

Letzte Aktualisierung: 19. Februar 2018

Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal

Expertenprüfung durch: Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer

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