Harninkontinenz: Ursachen

Unfreiwilliger Harnabgang kann u.a. durch eine Reihe von Krankheiten und altersbedingten oder hormonellen Veränderungen verursacht werden. Auch durch Schwangerschaft und Geburt kann es zu einer Schwächung der Beckenbodenmuskulatur kommen. Insgesamt sind Frauen häufiger von Harninkontinenz betroffen als Männer. Nachdem der Harn in den Nieren konzentriert wurde, gelangt er über die Harnleiter in die Harnblase und sammelt sich dort kontinuierlich an. Ab einem Volumen der Blase von ca. 130 bis 150 Millilitern wird durch einen Nervenreiz der Harndrang ausgelöst. Funktioniert die Regulation der Blasenentleerung einwandfrei, kann man diesen Harndrang unterdrücken und muss nicht unmittelbar eine Toilette aufsuchen.

Der Harn kann bewusst zurückgehalten werden und die Blase wird willentlich kontrolliert entleert – man spricht von Kontinenz. Entwickelt sich eine Inkontinenz, kann die Betroffene/der Betroffene diesen Vorgang hingegen nicht mehr steuern, es kommt zum unwillkürlichen Abgang von Harn. Ort und Zeitpunkt können nicht oder nur selten selbst bestimmt werden.

Weitere Informationen zur Produktion von Harn erhalten Sie unter Nieren und Harnblase: Anatomie und Funktion.

Hinweis

Eine Inkontinenz kann grundsätzlich auch den Kontrollverlust über den Abgang von Stuhl betreffen. In diesem Fall spricht man von Stuhlinkontinenz.

Komplexer Vorgang: Blasenentleerung

An der Entleerung der Blase sind unterschiedlichste Mechanismen und Strukturen beteiligt. Neben muskulären und weiteren Gewebestrukturen wie z.B. den Bändern der Beckenorgane, der Muskulatur im Beckenboden, dem Gewebe der Blasenwand sowie dem Schließmuskelsystem der Harnröhre, sind an diesem komplexen Vorgang zudem zahlreiche neurologische Strukturen wie das Rückenmark sowie bestimmte Steuerungs- und Kommunikationszentren im Gehirn beteiligt. Dieser breitgefächerte Vorgang erklärt die vielfältigen Ursachen sowie Formen von Harninkontinenz. Folglich bestehen auch in der Therapie Unterschiede.

Unterschiede zwischen Frau und Mann

Aufgrund anatomischer und physiologischer Unterschiede sind Frauen von einer Harninkontinenz in jungen Jahren häufiger betroffen. Insbesondere die körperlichen Belastungen während Schwangerschaft und Geburt sowie hormonelle Veränderungen ab der Menopause fördern bei Frauen die Entwicklung einer Harninkontinenz.

Mit steigendem Alter erhöht sich das Risiko für Harninkontinenz bei beiden Geschlechtern, sodass allmählich Frauen und Männer annähernd gleich häufig betroffen sind.

Zentrale Rolle: Beckenbodenmuskulatur

Bei Frauen liegt in vielen Fällen die Ursache der Harninkontinenz in einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur. Der Beckenbodenmuskel ist eine horizontale, schüsselförmige Platte, die das Becken nach unten abschließt. Sie besteht aus einem dreischichtigen Muskelsystem, Bindegewebe, Blutgefäßen und Nerven. Diese Muskelplatte stützt die Becken- und Bauchorgane, trägt auch die Harnblase und gewährleistet den richtigen Winkel zwischen Blase und Harnröhre.

Anatomie der Blase
© rob3000

Der Beckenboden ist großen Belastungen ausgesetzt. Bei Druckspitzen, die z.B. beim Husten, Niesen, Lachen sowie beim Stuhlgang oder bei der Geburt eines Babys auftreten können, arbeitet die Beckenbodenmuskulatur aktiv dagegen und sorgt für die nötige Stabilität im Bauchinnenraum. Ist diese spezielle Muskulatur nun geschwächt bzw. geschädigt, kann sie einer gefüllten, schweren Blase weniger gut standhalten. Dadurch wird der Harndrang zunehmend schwerer kontrollierbar.

Vielfältige Ursachen bei Harninkontinenz

Eine Harninkontinenz kann durch eine Ursache allein oder – häufiger – durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren ausgelöst werden. Zu den wichtigsten und häufigsten ursächlichen Faktoren zählen u.a.:

Geschlecht: Frauen leiden in jungen Jahren deutlich häufiger an Inkontinenz als Männer. Die Beckenbodenmuskulatur ist bei Frauen schwächer ausgeprägt und weniger flexibel, zudem setzen der breite Beckenquerschnitt sowie Durchtrittsstellen wie die Scheide (Vagina) die Spannkraft dieser Muskulatur herab. Frauen haben zudem im Lauf ihres Lebens mehr Ereignisse, welche die Kontinenz negativ beeinflussen können, v.a.:

  • Schwangerschaft/Geburt: Bei Frauen ist die Beckenbodenmuskulatur während der Schwangerschaft durch eine Drucklasterhöhung aufgrund des Kindes sowie durch die Auswirkungen während der Geburt einer Mehrbelastung ausgesetzt. Während der Wehen kann es zu Nervenverletzungen im Beckenbereich kommen. Durch das starke Pressen bei einer natürlichen Geburt kann sich zudem das räumliche Verhältnis von Blase zu Harnröhre verändern, sodass der Schließmuskel nicht mehr einwandfrei funktioniert. Die Folgen für die Blase können sich mit jeder Geburt verstärken. Eine häufig direkt nach der Geburt auftretende Inkontinenz bildet sich zumeist wieder zurück (postpartale Inkontinenz).
  • Menopause: Die verminderte Hormonproduktion verändert u.a. die Durchblutung der Harnröhre.

Übergewicht: Starkes Übergewicht (Adipositas) bewirkt durch eine vermehrte Fetteinlagerung eine Bindegewebsschwäche, auch in der Beckenbodenmuskulatur. Zudem erhöht sich der Druck im Bauchraum auf den Beckenboden.

Alter: Altersbedingte Veränderungen an der Harnblasenmuskulatur sowie am Schließmuskel, verminderte Harnkonzentration durch die Nieren, Einnahme von Medikamenten, Bestehen einzelner oder mehrerer Erkrankungen (Multimorbidität), Vergrößerung der Prostata beim Mann.

Medikamente: z.B. Diruetika, Beta-Blocker, ACE-Hemmer, Antidepressiva, Benzodiazepine und Cholinergika.

Erkrankungen: v.a. chronische Atemwegserkrankungen mit häufigem Husten (z.B. Raucherhusten oder Bronchitis), neurologische Erkrankungen mit gestörter Informationsverarbeitung (z.B. Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Demenzen), Gefäß- und Nervenschäden bei Diabetes mellitus, chronische Harnwegsinfekte (Blasenentzündung), chronische Obstipation, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Blasensteine, Bandscheibenvorfall, Tumoren im Unterleib, Querschnittslähmung sowie bösartige Erkrankungen der Harnblase.

Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.

Letzte Aktualisierung: 1. März 2018

Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal

Expertenprüfung durch: Prim. Univ.Doz. Dr. Eugen Plas, Facharzt für Urologie

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