Tiefenrausch
Der Tiefenrausch ist für ca. sechs Prozent der tödlichen Tauchunfälle verantwortlich. Er kann ab etwa 30 Meter Tiefe auftreten. Je weiter sich eine Taucherin/ein Taucher von der Wasseroberfläche entfernt, desto ausgeprägter können die Symptome sein. Dazu zählen Benommenheit, Angstzustände bzw. ausgeprägte Glücksgefühle (Euphorie), Halluzinationen und Bewusstlosigkeit. Der Tiefenrausch wird in tiefen Gewässern durch den Einfluss von Stickstoff auf das Gehirn verursacht. Kohlendioxid scheint seine Wirkung zu verstärken.
Die Anfälligkeit für die Entwicklung eines Tiefenrausches ist individuell sehr unterschiedlich. Sie hängt unter anderem von der Tagesverfassung einer Taucherin/eines Tauchers und den Umgebungsbedingungen ab. Die Gefahr beim Tiefenrausch ist das inadäquate Handeln und Reagieren in Notfallsituationen, sehr ähnlich dem Autofahren in alkoholisiertem Zustand.
Inhaltsverzeichnis
Welche Ursachen hat der Tiefenrausch?
Stickstoff wird als Bestandteil des Atemgases über die Taucherflasche eingeatmet. Er gelangt über die Lunge ins Blut. Im Blut gelöst wird er ins Gehirn transportiert. Durch den hohen Umgebungsdruck in tiefen Gewässern wird er verstärkt in die Zellwände (Zellmembranen) von Nervenzellen des Gehirns eingelagert. Dadurch scheint der Stoffwechsel im Gehirn beeinflusst zu werden. Wie Stickstoff die Funktionen des Gehirns genau beeinflusst, konnte noch nicht vollständig geklärt werden. Wenn psychoaktive Substanzen (Drogen, Alkohol oder zentral wirksame Medikamente – z.B. Psychopharmaka) eingenommen werden, ist das Risiko für das Auftreten eines Tiefenrausches höher. Auch Stresssituationen begünstigen die Entwicklung eines Tiefenrausches.
Welche Symptome können auftreten?
Die Beschwerden nehmen mit der Tauchtiefe zu. Meist treten die ersten Anzeichen eines Tiefenrausches ab einer Tiefe von 30 Metern ein. Bei manchen Taucherinnen/Tauchern setzen sie schon oberhalb von 30 Metern ein. Ab 50 bis 60 Metern werden die Symptome immer ausgeprägter. Die Symptome gleichen einem akuten Verwirrtheitszustand (Delir).
Folgende Symptome können auftreten:
- Benommenheit,
- Panikattacken oder gesteigertes Wohlbefinden bis zur Euphorie,
- Denkstörungen – z.B. verminderte Konzentrationsfähigkeit, Entscheidungsschwäche, Fehlentscheidungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Erinnerungslücken (partielle Amnesie),
- gesteigertes Risikoverhalten,
- Orientierungsschwäche,
- zwanghaftes Beharren auf oft nicht situationsgerechte Vorstellungen (Ideenfixation),
- Bewegungsstörungen,
- Verkennungen oder Halluzinationen,
- ununterbrochenes Wiederholen von Handlungen (Automatismen),
- vollständiger Kontrollverlust sowie
- Bewusstlosigkeit.
Ein Tiefenrausch wird von Betroffenen oft nicht wahrgenommen. Taucherinnen/Taucher können dann häufig ihre Situation nicht richtig einschätzen und möglicherweise gefährliche Fehlentscheidungen treffen. Meist wird ein Tiefenrausch aufgrund eines veränderten Verhaltens bzw. situationsinadäquater Reaktionen der/des Betroffenen zuerst von Tauchpartnerinnen/Tauchpartnern erkannt.
Wird die Taucherin/der Taucher Stresssituationen ausgesetzt, kann sie/er plötzlich in Panik geraten, die Kontrolle verlieren und nicht mehr passend auf die Anforderungen der Situation reagieren. Tritt Bewusstlosigkeit auf, kann die/der Betroffene das Atemgerät verlieren, Wasser einatmen, in die Tiefe sinken beziehungsweise nicht selbstständig auftauchen. Wenn sie/er keine Tauchpartnerin/keinen Tauchpartner hat oder diese/dieser nicht in der Lage ist, die Betroffene/den Betroffenen zu retten, können beide Komplikationen tödlich enden.
Zudem kann schnelles Auftauchen zu einem Dekompressionsunfall führen. Auch Tauchpartnerinnen/Tauchpartner können durch Panikhandlungen und Fehlentscheidungen der/des Betroffenen in Gefahr geraten.
Wie erfolgt die Behandlung des Tiefenrausches?
Wenn sich ein Tiefenrausch entwickelt, steht Ruhe bewahren an erster Stelle. Angst vor einem Tiefenrausch verschlimmert die Beschwerden. Symptome eines Tiefenrausches bessern sich durch die Verringerung der Tauchtiefe. Ein zu schnelles Auftauchen sollte vermieden werden, um die Entstehung einer Dekompressionskrankheit zu verhindern. Der Tiefenrausch selbst muss nicht medizinisch behandelt werden. Wenn ein Tiefenrausch mit Komplikationen – z.B. mit der Entwicklung einer Dekompressionskrankheit oder Dekompressionssyndroms – einhergeht, wird die Erstversorgung durch Tauchpartnerinnen/Tauchpartner und in der Folge durch eine Notärztin/einen Notarzt vorgenommen.
Wie kann einem Tiefenrausch vorgebeugt werden?
Je tiefer getaucht wird, desto höher ist das Risiko für die Entwicklung eines Tiefenrausches. Für Sporttaucherinnen/Sporttaucher wird daher eine Tauchgrenze in 30-40 Meter Tiefe empfohlen. Für das Tauchen in tieferen Regionen kann Atemgas eingesetzt werden, das statt Stickstoff Helium enthält. Prinzipiell soll ein Tauchgang nie alleine vorgenommen werden, damit eine Rettung bei einem Zwischenfall durch eine Tauchpartnerin/einen Tauchpartner erfolgen kann.
Wohin kann ich mich wenden?
In Österreich koordiniert der öffentliche Rettungsdienst Tel. : 144) die Vorgehensweise bei Tauchunfällen. Bei einem Anruf sollte dabei das Kennwort „Tauchunfall“ durchgegeben werden. Nach der Erstbegutachtung bzw. -versorgung durch die Notärztin/den Notarzt stellen die Rettungsleitstellen gegebenenfalls den Notfalltransport zur nächstgelegenen Druckkammer (Dekompressionskammer) sicher. Im Ausland sollten vor Tauchgängen Informationen zu landesspezifischen Vorgehensweisen bei Tauchunfällen eingeholt werden.
Für Fragen zu einem Tauchunfall stehen mehrere Notfall-Hotlines rund um die Uhr zur Verfügung. Aktuelle Telefonnummern können auf den Homepages der Österreichischen Gesellschaft für Tauch- und Hyperbarmedizin (www.oegth.at) und der Österreichischen Gesellschaft für Unterwasser- und Hyperbarmedizin (www.oeguhm.at) abgerufen werden.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von den Unfall- bzw. Krankenversicherungsträgern übernommen. Grundsätzlich rechnet Ihre Ärztin/Ihr Arzt direkt mit Ihrem Krankenversicherungsträger ab. Bei bestimmten Krankenversicherungsträgern kann jedoch ein Selbstbehalt (Behandlungsbeitrag) für Sie anfallen (BVAEB, SVS, SVS, BVAEB). Sie können allerdings auch eine Wahlärztin/einen Wahlarzt (d.h. Ärztin/Arzt ohne Kassenvertrag) in Anspruch nehmen. Nähere Informationen finden Sie unter Kosten und Selbstbehalte.
Bei bestimmten Untersuchungen (z.B. MRT) kann eine Bewilligung des leistungszuständigen Krankenversicherungsträgers (medizinischer Dienst – „Chefarzt“) erforderlich sein, ebenso wie bei bestimmten medikamentösen oder nicht medikamentösen Behandlungen (z.B. physikalische Therapie), in manchen Fällen erst beim Erreichen eines bestimmten Ausmaßes der Erkrankung. Bei bestimmten Leistungen (z.B. stationäre Aufenthalte, Hilfsmittel und Heilbehelfe) sind – je nach Krankenversicherungsträger – Kostenbeteiligungen der Patientinnen/Patienten vorgesehen. Die meisten Krankenversicherungsträger sehen – teilweise abhängig von der Art des Heilbehelfs – eine Bewilligung vor. Für Medikamente auf „Kassenrezept“ ist die Rezeptgebühr zu entrichten.
Über die jeweiligen Bestimmungen informieren Sie sich bitte bei Ihrem Krankenversicherungsträger, den Sie über die Website der Sozialversicherung finden.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 2. Juli 2018
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr. med. Roswitha Prohaska